Wie man geschickt und diplomatisch mit Bieneninspektoren umgehen kann
Die Erfahrung zeigt: Trotz Tierseuchenverordnung und Pflichtenheft ist der Austausch mit den Bieneninspektoren hochgradig abhängig von deren persönlicher Interpretation der Situation und des Gesetzes. Wem es an Diplomatie und taktischem Geschick mangelt, kann sehr schnell sehr harte Barrieren aufbauen, die zu Kommunikationsblockaden führen können. Hier ein paar Tipps, die in der Praxis bereits erfolgreich waren.
Jeder Inspektor ist anders
Bieneninspektoren und Inspektorinnen: Jeder und jede bringt einen eigenen Erfahrungsschatz, Fachwissen und ideologische, ethische und philosophische Weltanschauungen mit. Diese Vielfalt synchronisieren und regeln dann weder die Bundesgesetze wie das Tierseuchengesetz und die Tierseuchenverordnung, noch die kantonalen Interpretationen hiervon oder gar die konkreten Pflichtenhefte der kantonalen Bieneninspektorate.
Zusammenhänge erkennen
Während ein Bieneninspektor ein enormes wissenschaftliches Fachwissen und eine riesige praktische Erfahrung mitbringen kann, gibt es jene, welche noch nie in ihrem Leben eine Studie über Bienen gelesen und reflektiert haben. Aber nicht nur das Fachwissen macht den Unterschied, sondern eben auch die persönlichen Ideologien und Überzeugungen. Wer beispielsweise ausschliesslich auf bienenwissenschaftlichen Erkenntnissen über das Nutztier Honigbiene in der Imkerei argumentiert (der anzahlmässige Grossteil aller wissenschaftlichen Erkenntnisse über Honigbienen), hat so gut wie nichts von der Wahrheit verstanden. Wer der Wahrheit etwas näherkommen will, muss sich auch mit biologischen und ökologischen Zusammenhängen des Wildtieres auseinandersetzen und reflektieren, wie diese zwei wichtigen Aspekte in der Gesamtbetrachtung vereint werden können.
Unterschiedliche Erfahrungen
Die Teilnehmer der FREETHEBEES Kurse spiegeln uns dann auch immer wieder ihre konkreten Erfahrungen mit Bieneninspektoren. Neben wie schon erwähnt sehr tollen Inspektoren, von denen wir selbst gerne lernen, gibt es eben auch die überaus verschlossenen, einseitig und/oder schlecht informierten und sogar die fast schon militanten. «Was willst Du mit Warré und Naturwabenbau, das ist gesetzeswidrig». «Du bist eine Varroaund Virenschleuder mit Deiner naturnahen Bienenhaltung». «Wenn Du Deine Bienenkästen nicht umgehend selbst entsorgst, werde ich sie Dir in der Nacht anzünden und verbrennen». Man glaubt es kaum, aber das sind alles konkrete Beispiele aus der Praxis von Neuimkern, die mit vollem Elan und Enthusiasmus einsteigen wollen und gelernt haben, ihre Bienenhaltung den Bedürfnissen des Bienenvolkes auszurichten, nicht dem Honigertrag.
Als Autor dieser Zeilen durfte ich selbst glücklicherweise bisher auf meinen zwei Bienenständen im Kanton Freiburg über viele Jahre mit mindestens sieben unterschiedlichen Inspektorinnen und Inspektoren ausschliesslich gute Erfahrungen machen. Ich behaupte aber auch, dass das etwas Geschick, Takt und Diplomatie zu verdanken ist. Wenn einer die Bienenwelt über die Verantwortungsträger und die Inspektorate kritisiert, dann wohl ich. Und trotzdem führe ich respektvolle Gespräche auf Augenhöhe mit den Inspektoren.
Wer ist mein Gegenüber?
In meinen Einführungskursen thematisieren wir den Umgang mit den Bieneninspektoraten. Ich rate allen Neuimkern, sachte und behutsam an das Thema heranzugehen und zunächst einmal den für sie verantwortlichen Inspektor persönlich kennenzulernen. Wer steht hier vor mir? Welche Überzeugungen hat diese Person? Was weiss sie, wo kann ich selbst etwas von meinem Gegenüber lernen, wo kann das Gegenüber von mir lernen? Was treibt diese Person an, was interessiert sie, unter welchen Rahmenbedingungen und entlang welcher Anreize agiert diese Person? Gibt es Synergien, die man gemeinsam mit gegenseitigem Geben-und-Nehmen nutzen kann?
Herantasten
Etwas konkreter auf den Punkt gebracht: Wer sagt, er sei bei FREETHEBEES an einem Einführungskurs von André Wermelinger gewesen und werde jetzt mit Warré auf Naturwabenbau und Stabilbau starten, unabhängig davon, was der Bieneninspektor davon denkt, verhält sich zunächst mal sehr ungeschickt. Viel interessanter, insbesondere als noch unwissender und unerfahrener Einsteiger, ist es, ein bisschen Demut walten zu lassen. Was akzeptiert mein Inspektor, bis zu welchem Punkt können wir gemeinsam gehen? Der Bogen darf durchaus angespannt werden, aber nicht überspannt.
Warrés
Konkret könnte das heissen, dass man die Warrés in einem ersten Schritt einmal mit Rähmchen ausstattet. Und in diesen Rähmchen Naturwabenbau ermöglicht. Nicht das, was wir naturnah und artgerecht nennen, aber immerhin ein guter Kompromiss, den der Inspektor mit jeglicher Sicherheit akzeptieren wird und akzeptieren muss.
Klotzbeuten
In Klotzbeuten, wie etwa den SwissTrees wird es dann noch etwas schwieriger. Dort sind Rähmchen einfach nicht möglich und auch komplett unsinnig und ungewünscht. Der Inspektor tut sich unter Umständen recht schwer damit. Auch hier hat FREETHEBEES in Zusammenarbeit mit dem kantonalen Bieneninspektorat in Fribourg Kompromisse entwickelt. Die neuen SwissTrees weisen eine Wartungsöffnung auf, genauso wie die Klotzbeuten im Zeidlerstil. Ein wichtiges Element, welches die Akzeptanz der Inspektoren umgehend fördert: Wir kommen ohne grosse Aufwände zur Brut und können dort Probenmaterial herausschneiden. Das reicht dann oft schon.
Systemdiversität
Für mich fast der wichtigste Aspekt, den ich auf meinen eigenen Bienenständen einhalte: Ich habe auf jedem Bienenstand immer auch eine konventionelle Beute! Diese sind zwar ebenso säurefrei und behandlungsfrei, können aber sachgerecht geöffnet werden. Der Bieneninspektor beginnt zuerst mit der ihm vollumfänglich vertrauten Inspektion meiner Dadants. Wenn er sieht, dass ich diese im Griff habe und die Bienen dort gesund sind, habe ich bereits die halbe Inspektion erfolgreich überstanden. Bei den Klotzbeuten reicht im danach das Öffnen des unteren Teiles der Wartungsöffnung, was minimal-invasiv für die Bienen ist, weil nicht mal das Mikroklima von der Öffnung betroffen ist. Bei den SwissTrees öffne ich die Wartungsverschalung, muss aber in der Regel nicht mal die Plexischeibe entfernen. Die Sicht auf das starke und gesunde Bienenvolk, wie auch die Geruchsprobe am Flugloch, überzeugen den Inspektor vom Gesundheitszustand, wie auch von meinen Fachund Praxiskenntnissen.
Win-win
Meine Inspektionen verliefen bisher alle zu meiner vollsten Zufriedenheit. Sogar jene, als in der Nachbarschaft ein Faulbrutfall auftrat und der ganze Perimeter kontrolliert werden musste. Ich fürchtete diesen Eingriff etwas und war überrascht vom verantwortungsvollen Umgang der Inspektoren mit meinen für sie komplett unüblichen Bienenhabitaten und Haltungsmethoden. Die Gespräche waren von gegenseitigem Interesse, beide Seiten haben neue Erkenntnisse gewinnen können.
André Wermelinger