Die Haupt-Forschungsfrage: Sind wildlebende Honigbienenvölker in der Schweiz überlebensfähig.
Projektbeginn und Pilotphase: 2021 – 2023
Projektdauer: ab 2024 jährliche Durchführung
Vorgehen: Das Swiss BeeMapping ist ein Monitoring Projekt das in Zusammenarbeit mit Citizen Daten erhebt und diese durch Wissenschaftler analysieren lässt.
Swiss BeeMapping ist ein Citizen Science Projekt:
Ehrenamtliche Mitarbeitende beobachten Honigbienenvölker und nehmen Felddaten auf. Sie nehmen an der ersten Kartierung von freilebenden Bienenvölkern in der Schweiz teil
Erste Informationsanlässe mit Einführung ins Kartierungsprojekt fanden im Februar/März 2021 online statt. Die dritte Feldbegehung startet im März 2023, wissenschaftlich begleitet und angeleitet.
Melden und beobachten Sie ein wildlebendes Honigbienenvolk
- Fundmeldung eines neuentdeckten Nistplatzes (Link zum Meldeformular)
- Anmeldung zum Beobachten beim Feldkoordinator Swiss BeeMapping (Link zum Meldeformular)
Worum geht es?
Die Westliche Honigbiene Apis mellifera L. ist ursprünglich eine in Europa weit verbreitete Wildbienenart. Seit der Antike durch den Menschen in Kultur genommen, wurde sie mittlerweile über die ganze Welt verbreitet. Aktuelle Untersuchungen in Europa und Übersee zeigen, dass Völker der Honigbiene nicht nur in Bienenhäusern der Imkerinnen und Imker als ‘Haustier’ gehalten werden, sondern ausserhalb auf sich selbst gestellt und ohne Zufütterung noch in freier Wildbahn leben. Dass Honigbienenvölker in Frankreich, Deutschland, Österreich und in Grossbritannien in freier Natur und ohne Pflege überleben können, wurde wissenschaftlich belegt, aber noch nicht in der Schweiz. Das Vorkommen der Honigbiene in den Wäldern Europas wird auf mehr als 80’000 Völker geschätzt. Im 2020 wurde die Honigbiene in der Schweiz von offizieller Seite zum heimischen Wildtier erklärt, das in der Imkerei genutzt wird («domestiziert»). Der konkrete Schutz und die Förderung von wildlebenden Honigbienen bleiben hingegen weiterhin grösstenteils ungeklärt und werfen viele Fragen auf (siehe FTB-Bulletin – Nr. 18).
Aber weder in öffentlichen Sammlungen noch im Datenzentrum für die Fauna der Schweiz (Info fauna ‒ CSCF) gibt es Nachweise oder Belege von freilebenden Honigbienenvölkern. Die Schweizer Wildbienenspezialisten gehen davon aus, dass die Westliche Honigbiene in ihrem ursprünglichen Status als Wildbienenart bei uns ausgestorben ist. Für die Schweiz wird deshalb allgemein angenommen, dass gesichtete Schwärme aus der Imkerei stammen und ohne menschliche Betreuung nicht überleben können.
Allerdings gehen beim Verein FREETHEBEES seit vielen Jahren regelmässig Fundmeldungen von freilebenden Völkern ein, was als Indiz gelten mag. Mittlerweile liegen FREETHEBEES dokumentierte Beobachtungen von spontan besiedelten Nistplätzen aus mehr als 30 Gemeinden aus den Kantonen AG, BE, BS, FR, GL, LU, NE, SG, SH, SO, TG, VD und ZH vor (siehe Statusbericht 2021 im FTB-Bulletin – Nr. 21) . Diese sind noch nicht wissenschaftlich untersucht und werden laufend überprüft
Die Existenz von freilebenden Honigbienenpopulationen ist für die Erhaltung ihrer Art und deren Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen wahrscheinlich von essenzieller Bedeutung: Es ist zu anzunehmen, dass freilebende Honigbienen unter der natürlichen Selektion besondere Anpassungsleistungen erbringen.
Bessere Kenntnisse über freilebende Honigbienenvölker, ihr natürliches Verhalten und ihre Ansprüche an den Lebensraum werden für ihren Schutz als auch für die Bienenhaltung wichtige Impulse geben.
Ausgehend von der Hypothese, dass es freilebende Honigbienen aufgrund von bisher gesammelten Fundmeldungen auch in der Schweiz gibt, startet FREETHEBEES das Projekt Swiss BeeMapping. In den drei Jahren, von 2021 bis 2023, suchen wir Antworten auf diese Fragen:
- Wo gibt es freilebende Honigbienenvölker in der Schweiz?
- Welches sind ihre Nistplätze, und wie verhalten sie sich (Futtern, Schwärmen, Ein- und Ausziehen)?
- Überleben sie ohne Pflege in der freien Natur?
Damit möchten wir die Datengrundlage schaffen (die in einem zweiten Schritt durch ein längerfristiges Monitoring ergänzt wird), um die freilebenden Honigbienenvölker schützen, erforschen und fördern zu können. Zentral dabei ist, dass die Langzeitüberwachung ihrer Nist- und Überwinterungsplätze sichergestellt wird.
Wie läuft das Swiss BeeMapping ab?
Das Kartierungsprojekt Swiss BeeMapping wurde vom Entomologen Dr. Francis Cordillot von ecolingua entwickelt, motiviert durch die jüngsten Studien in Deutschland und Frankreich. 2021 startete das Pilotprojekt: einerseits mit der systematischen, wissenschaftlichen Überprüfung der bei uns eingegangenen und laufend eingehenden Fundmeldungen aus den verschiedenen Kantonen der Alpennordseite, und andererseits mit dem Aufbau eines Monitorings zur mehrjährigen Beobachtung freilebender Völker.
Als freilebende Honigbienenvölker werden im Rahmen dieses Projektes unbetreute Bienenvölker bezeichnet, die ausserhalb der auf Honigproduktion ausgerichteten Imkerei ohne Pflege und ohne Eingriffe leben. Dabei werden einerseits seit längerer Zeit beobachtete Standorte mit freilebenden Honigbienenvölkern wie auch aus der Imkerei stammende verwilderte Völker erfasst. Diese können in einer Höhle in Baum, Fels, Dachvorsprung, Mauer, Kamin oder in einem ausgehöhlten Baumstamm (Klotzbeute), unbetreuten Bienenkasten, Naturbaubeute wie ein SwissTree oder Schiffertree usw. nisten.
Das Kartierungsprojekt Swiss BeeMapping ist als Citizen Science Project organisiert. Ein Team von Freiwilligen (Citizen Scientists) wird die Völker beobachten und Daten erheben: Naturinteressierte, Berufsgruppen aus dem Waldbau, Ranger von Schutzgebieten und Pärken, Mitglieder entomologischer Vereine und weitere ehrenamtliche Mitarbeitende.
Die Felddaten werden in Fundmelde- und Beobachtungsformularen erhoben. Es wird fotografiert und möglichst Bienen (auch tote) an jedem Standort gesammelt und eingeschickt.
Die wissenschaftliche Auswertung erfolgt periodisch nach erfolgten Rückmeldungen. Einsicht kann über die Webseite zum Projekt Swiss BeeMapping genommen werden. Auch wird im Bulletin darüber berichtet.
Synergien mit laufenden Monitoring-Programmen in Frankreich (V. Albouy, F. Requier) und Deutschland (P.L. Kohl, B. Rutschmann) über Luxembourg (J. Park, C. Zewen) und weitere europäische Länder bis Übersee (T. Seeley) und in der Schweiz (P. Neumann, S. Rogenstein) sollen genutzt werden. Die breite Kooperation wird die Datengrundlage verbessern und vertiefte Analysen erlauben, z.B. zu Fragen über die Lebensraumbedingungen für freilebende Honigbienenvölker.
Die breite Bevölkerung soll eine Antwort auf die Frage erhalten, ob die Honigbiene ohne Imkerei überlebt hat und in Zukunft in der Schweiz überleben könnte. Die Biodiversitätsforschung als auch die Praxis im Naturschutz und in der Imkerei werden von den Ergebnissen des Swiss BeeMapping profitieren.
Fund- und Beobachtungsmeldung Swiss BeeMapping – Kreislauf des Informationsflusses
Literatur
Albouy V. 2019. Abeilles mellifères à l’état sauvage – Une histoire naturelle. Ed. de Terran, Coll. Alternatives apicoles:336.
Browne K.A. et al. 2020. Investigation of free-living honey bee colonies in Ireland. Journal of Apicultural Research, DOI: 10.1080/00218839.2020.1837530
Büchler R. et al. 2014. The influence of genetic origin and its interaction with environmental effects on the survival of Apis mellifera L. colonies in Europe. J. Apic. Res. 53:205–214.
De La Rúa P., Jaffé R., Dall’olio R., Muñoz I., Serrano J. 2009. Biodiversity, conservation and current threats to European honeybees. Apidologie 40:263–284.
Ferguson D. 2021. ‘No one knew they existed’: wild heirs of lost British honeybee found at Blenheim. The Guardian, Sun 7. Nov. 2021: https://www.theguardian.com/environment/2021/nov/07/no-one-knew-they-existed-wild-heirs-of-lost-british-honeybee-found-at-blenheim.
Hassett J. et al. 2018. A significant pure population of the dark European honey bee (Apis mellifera mellifera) remains in Ireland. Journal of Apicultural Research 57 (3):337-350, DOI: 10.1080/00218839.2018.1433949
Kohl P.T. & B. Rutschmann 2018. The neglected bee trees: European beech forests as a home for feral honey bee colonies. PeerJ 6:e460; https://doi.org/10.7717/peerj.4602
Loftus J. C., Smith M. L., Seeley T. D. 2016. How Honey Bee Colonies Survive in the Wild: Testing the Importance of Small Nests and Frequent Swarming. PLoS One 11:e0150362.
Neumann P., Blacquière T. 2017. The Darwin cure for apiculture? Natural selection and managed honeybee health. Evol. Appl. 10:226–230.
Oberreiter H., Dünger A., Schlagbauer J., Brodschneider R. 2021. Das Wildnisgebiet Dürrenstein – ein Lebensraum für wildlebende Bienenvölker? Entomologica Austriaca 28: 25-42. www.entomologie.org.
Oleksa A., Gawroński R., Tofilski A. 2013. Rural avenues as a refuge for feral honey bee population. J. Insect Conserv. 17:465–472.
Parejo M., Dietemann V., Praz C. 2020. Der Status freilebender Völker der Dunklen Honigbiene (Apis mellifera mellifera) in der Schweiz – Literatursynthese und Expertenempfehlungen. Expertenbericht vom 30.11.2020 im Auftrag des Bundesamts für Umwelt, Bern: 40 S. und 8 Anhänge. Unveröffentlicht.
Parejo M., Wragg D., Henriques D., Charrière J.-D., Estonba A. 2020. Digging into the genomic past of Swiss honey bees by whole-genome sequencing museum specimens. Genome Biol. Evol. evaa118.
Pollinis. 2018. Statement of Principle for the Protection of Indigenous Honey Bees in Europe. https://www.pollinis.org/publications/statement-of-principle-protection-on-subspecies-and-ecotypes-of-honey-bees/
Requier F. et al. 2019. The Conservation of Native Honey Bees Is Crucial. Trends Ecol. Evol. 34:789–798.
Requier F. et al. 2020. Contribution of European forests to safeguard wild honeybee populations. Conservation Letters 13(2). https://doi.org/10.1111/conl.12693.
Rutschmann B. et al. 2022. Semi-natural habitats promote winter survival of wild-living honeybees in an agricultural landscape. Biological Conservation 266 : 8 p. https://doi.org/10.1016/j.biocon.2022.109450 .
Seeley T.D. et al. 2015. A survivor population of wild colonies of European honeybees in the northeastern United States : investigating its genetic structure. Apidology 46:654-666. https://doi.org/10.1007/s13592-015-0355-0
Seeley T. D. 2019. The lives of bees: the untold story of the honey bee in the wild. Princeton University Press.
Thompson C. 2012. The health and status of the feral honeybee (Apis mellifera sp) and Apis mellifera mellifera population of the UK. Thesis. University of Leeds.