Von André Wermelinger, Geschäftsführer FreeTheBees
Die Felder und Obstbäume stehen in Vollblüte oder gehen je nach Region und saisonalen Unterschieden bereits wieder dem Ende zu. Die Sonne hat fast volle Kraft zurückerhalten und das Wachstum der Pflanzen kann man förmlich von Tag zu Tag nachverfolgen.
Mein Garten ist weitgehend vorbereitet und nach den Eisheiligen bringe ich auch die Setzlinge und Samen aus, die keinen Frost vertragen würden. Die Alteingesessenen hier im Montévraz, einem Bauernweiler im Fribourger Saanebezirk auf 900m.ü.M., pflanzen an, sobald an unserem Hausberg das letzte Stück Schnee verschwunden ist, was in der Regel recht gut mit den Eisheiligen zusammenpasst. Ich halte mich gerne an solche alten und überlieferten Weisheiten, unsere Vorfahren waren ausgeprägt gute Beobachter.
Allerdings muss ich ehrlich zugeben: Mit zunehmendem Wissen über ökologische, biologische und landwirtschaftliche Zusammenhänge kann ich mich je länger, je weniger über die zunächst eindrücklichen Frühlingsbilder aus den landwirtschaftlich geprägten Regionen freuen. Die supertollen gelben Rapsfelder sind nichts anderes als Monokulturen, die ebenso schönen gelben Löwenzahnfelder Zeugnis von kompletter Überdüngung und Biodiversitätsmangel. Selbst wenn die Felder nicht durch die Bauern gemäht würden (bis zu 7 Schnitten heutzutage!), würden hier neben dem Löwenzahn nur noch sehr vereinzelt weitere Pflanzen blühen. Die Bauern hier «pflegen» ihr Weideland mit unglaublichen Mistmengen. Da ihnen im Anschluss der PH-Wert abdriftet, wird Kalk in grossen Mengen zugeführt. Pflanzen wie Placken, die den ungünstigen Zustand der Böden anzeigen, werden mittels synthetischer Pestizide bekämpft (ja, unglaublich, Pestizide sogar auf grünem Weideland!). Die pflanzliche Artenvielfalt ist stark eingeschränkt.
Ich arbeite seit rund 15 Jahren an meiner eigenen Wildblumenwiese. Meine ursprüngliche Naivität ist der Realität gewichen und ich habe viel dazugelernt: Es ist keinesfalls einfach, eine schön blühende Wildblumenwiese anlegen zu können. Auch nach weit mehr als 15 düngerlosen Jahren scheinen Teile meines Landes noch zu fett zu sein. So werden sie ja durch Stickstoff auch bei jedem Regen ohne mein Zutun frisch gedüngt. Ich habe sehr viel Aufwand und auch Geld in das Anlegen und Pflegen von mittlerweile wohl gegen 1’500m2 Wildblumenwiese gesteckt. Einige Landstücke entwickeln sich recht schön, andere sind wieder teilweise in ihren grünen Ursprungszustand zurückgefallen. Aber wenn ich die Biodiversität auf meinem Land mit den umliegenden Feldern betrachte, ist der Unterschied erheblich und bereitet mir Freude. Ein Bauer hier aus dem Dorf erwähnte kürzlich respektvoll die enorme Artenvielfalt auf meinem Grundstück und einer meiner Nachbarn bezeugt die zunehmende Insektendichte, seit ich hier lebe. Mein Aufwand scheint Wirkung zu erzeugen.
Schwarmzeit
Die Bienenvölker sind mitten in der Schwarmzeit. Natürliche Bienenvölker ohne Honigraumaufsätze schwärmen eher früher, die konventionell gehaltenen eher später. Die Völker sind stark, das Leben pulsiert, das Schwarmfieber ist vorerst der Höhepunkt in der Bienensaison, was sich am regen Treiben und der Explosion der Energie beim Ausschwärmen zeigt. Eine meiner grössten Freuden ist das Riechen am Abend vor den Bienenständen und Fluglöchern, wenn die Bienen ihren Nektar trocknen und den Bienenstock belüften. Der Geruch nach frischem Brot ist umwerfend wohltuend und den Bienen beim Belüften bis tief in die Nacht hinein zuzuschauen und zuzuhören unglaublich beruhigend, befriedigend und wohltuend.
Ein spezielles Erlebnis ist das erste Abgehen von Schwärmen nach dem Winter, ich freue mich auch nach vielen Jahren jeweils noch darüber und bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Noch viel spezieller ist der Einzug von Schwärmen in einen leerstehenden Kasten. Eine riesige Wolke mit viel Summen und Brummen verschwindet innert weniger Minuten weitestgehend hinter einem kleinen Flugloch. Im Nullkommanichts wird geputzt, Wabenbau gereinigt und instand gestellt und neu gebrütet. Und das Leben geht weiter. Die Bienen haben meinen Standort und meine zur Verfügung gestellte Beute ausgewählt. Oft übrigens nicht so, wie es mein Konzept vorhersagen würden.😉 So wurde im letzten Jahr ein Kasten frei auf einem Baum stehend ignoriert und das Bienenvolk zog stattdessen in eine dem Boden nahestehende Warré ein, zwischen zwei fliegenden Völkern. Von wegen Bienendichte, von wegen Bienen leben in der Höhe. Es scheint noch andere Kriterien zu geben, die ich nicht kenne.
In guten Jahren fange ich bis zu 10 Schwärme ein, die meine beiden Bienenstandorte und die dort angebotenen Bienenkästen und Naturhabitate auswählen. Den «ertragreichsten» Tag verzeichnete ich vor einigen Jahren mit 4 Schwärmen. Ein Handwerker, der mit meinem Vorplatz beschäftigt war, ging dankend nach Hause und meinte, er käme dann am nächsten Tag wieder, er könne so nicht arbeiten.😊
Die Bienen brüten den Varroas davon
Ich mag bis heute den Gedanken, den ich einst von Bernhard Heuvel, einem versierten Deutschen Imker gelernt habe: Im Frühling brüten die Bienen den Varroamilben davon! Ja, genauso erlebe ich es, im Frühling funkt es, sprüht es im Bienenvolk vor Leben, da können weder Parasiten noch Bakterien noch Viren dem Bienenvolk ernsthaft gefährlich werden. Insofern mache ich mir auch kaum Sorgen und der Aufwand mit meinen naturnah gehaltenen Bienen hält sich sehr im Rahmen. Der Aufwand mit den ganz natürlich gehaltenen Bienen ist sowieso fast gleich null, ich will der Natur möglichst freien Lauf lassen.
Anders gestaltet sich das mit den konventionellen Beuten. Schweizerkästen werden regelmässig geöffnet und der Honigraum Schritt für Schritt ausgebaut. Bei den Dadants gilt es zu überwachen, dass der Honigraum nicht überbordet und gegebenenfalls einen zweiten aufzusetzen. Ich bin, wie gesagt, ein schlechter konventioneller Imker, ich habe nicht die Zeit und nicht das Bedürfnis, alle paar Tage die Bienenkästen zu öffnen und mich um die richtige Anzahl freier Honigräume zu kümmern. Vielmehr verlasse ich mich hier auf die Intelligenz der Natur in meinen Baumhöhlen, die Bienen sollen das selbst regeln, das können sie sowieso viel besser als ich es je könnte.
Honigernte gleich nach dem Schwarmabgang
Ich habe mit der naturnahen Bienenhaltung über Jahre hinweg viele Versuche gemacht. Wie mir scheint, ist der optimale Zeitpunkt einer allfälligen Honigernte gleich nach dem Ausschwärmen. Das Zweimalige Ernten, wie aus der konventionellen Imkerei bekannt, ist sowieso nicht möglich.
Wie wir wissen, ist die Futterversorgung von naturnah gehaltenen Bienenvölkern, also solchen, die in einem fixen Beutevolumen ohne Aufsetzen eines Honigraumes gehalten werden, generell kritisch. Bienenvölker überleben oft ohne Unterstützung den nächsten Winter nicht. Der einzige Moment, in dem sich relevante Mengen an Honig in einem solchen Bienenkasten (bspw. Warré) befinden, ist rund ums Schwärmen herum, also mitten im Wonnemonat über die Haupttracht. In die Aufregung vor dem Schwärmen und während der Aufzucht der neuen Königinnen durch das Bienenvolk möchte ich nicht eingreifen. Selbst wenn ich öffnen würde, wäre die Honigernte unangenehm und schwierig, weil das Volk von Bienen fast überquillt.
Also warte ich lieber auf den abgegangenen Schwarm. Das Bienenvolk hat die Hälfte der Bienen verloren. Es ist ruhig, die vorherige Spannung hat sich entladen. Im Bienenvolk befinden sich erhebliche Honigreserven (in einer Warré ohne Honigraum gegen 10kg). Und zwar der qualitativ höherwertige Frühlingshonig, der besonders reich an Inhaltsstoffen ist. Würde ich dem Muttervolk den Honig belassen, wäre die Reserve nach rund 3 Wochen verzehrt. Wie immer wieder erwähnt, schwärmt das Bienenvolk heute meist in der sogenannten Trachtlücke und die energieaufwendige Volksteilung wird von der Natur nicht mehr unterstützt. Das Volk muss also die Reserven aus dem Frühjahr auffressen und entwickelt sich trotzdem schlecht, solange kein Nektar von aussen kommt und den Bruttrieb anregt. Genau diesen Moment nutze ich, ernte den Frühjahrshonig und füttere über die Trachtlücke mit Zucker.
Trachtlücke bedeutet ja nicht, dass gar kein Nektar fliesst. Und glücklicherweise lassen die Bienen das Zuckerwasser stehen, wenn es wertvolleren Nektar in der Umgebung gibt. Die Bienen mischen also mein Zuckerwasser mit jenem Nektar, der trotz Trachtlücke verfügbar ist. Ein Kompromiss, den ich bereit bin, einzugehen.
Wie bereits im Vormonat beschrieben und bebildert, presse ich meinen Honig. Auch das ist Teil meines Monats Mai, auch wenn ich hier nicht weiter im Detail darauf eingehe.
Ausblick
Im nächsten Monat wird es fachlich wieder etwas spannender, da möchte ich auf alternative Methoden beim Umgang mit der Varroamilbe eingehen.
Viel Spass beim Umsetzen, ich freue mich, weitere Einblicke in meine Arbeit im Juni geben zu können.
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Frühere Beiträge des Imkerkalenders finden Sie hier:
-
Januar – Februar: Retrospektive und Planung der neuen Bienensaison
-
März: Vorbereitung der neuen Bienensaison und Sicherstellen der Futterversorgung
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August: Wie beeinflussen Standort und Bedingungen die Gesundheit der Bienenvölker im Hochsommer?
- Imkerkalender September: Herbstgedanken und Jahresrückblick eines naturnahen Imkers