Von André Wermelinger, Geschäftsführer FreeTheBees
Wir sind mitten im Sommer. In diesem Jahr (2024) nach einem etwas speziellen Frühling, der doch sehr regnerisch und durchwachsen war. Vom Sommer war bis zum Schreiben dieses Artikels Ende Juni noch nicht viel zu spüren. Der Garten hat gelitten und die Gartenarbeit hat wenig Spass gemacht. Auch ein fachgerechtes Mähen der Blühwiese war nicht möglich. Laut Experten sollte diese Wiese zwischen dem 5. und 20. Juni gemäht werden, aber es gab keine 3 stabilen und regenfreien Tage, an denen man mit gutem Gewissen hätte mähen können.
Die Bienen und die Läppertracht des Sommers
Unsere Bienen befinden sich in der sogenannten Läppertracht im Sommer. Zudem sind alle nicht imerklich «gut» gemanagten Bienenvölker ausgeschwärmt und haben sich noch nicht vollständig vom Schwärmen erholt. Wie denn auch, nachdem sie die energiezehrende Zeit der Volksvermehrung über die Trachtlücke sicherstellen mussten und auf Notbetrieb umgeschaltet haben.
Wenn ich überhaupt Honig ernte, dann gleich nach dem Ausschwärmen, wie schon im Beitrag vom Mai beschrieben. Da ich ein schlechter konventioneller Imker bin, schwärmen praktisch alle meine Völker mit ziemlich hoher Zuverlässigkeit aus.
An eine Sommerernte ist wegen des Schwärmens und ohne Honigraumbewirtschaftung kaum zu denken. Aber das macht mir nichts aus. Wenn ich von meinen durchschnittlich 10 Völkern jedes zweite Jahr zwei Völker habe, die im Mai guten Honig geben, reicht das für mich und einige Leute aus dem Freundes- und Familienkreis. Und der Frühlingshonig schmeckt mir viel besser als der Sommerhonig.
Der Bienen-Schwarmtrieb als natürliche Reinigungsfunktion
Wer die vielfältigen Texte und Konzepte von FreeTheBees liest oder an den Kursen und Vorträgen teilnimmt, weiss, dass ich mich auf das regelmässige Ausschwärmen freue. Nicht, weil ich dann den Bienen hinterherlaufen muss. Sondern das Schwärmen ist eine leistungsfähige natürliche Reinigungsfunktion. Nicht nur die Viren- und Bakterienlast wird reduziert, nein, auch die Parasitenlast. Der Schwarmtrieb ist daher ein wichtiger und integraler Bestandteil der Varroabekämpfung.
Natürlich ist der Schwarmtrieb keine Garantie dafür, dass die Bienenvölker den nächsten Winter unbeschadet überstehen. Zumindest nicht bei uns in der Schweiz. In anderen Regionen, zum Beispiel in Wales, haben unzählige Imker längst bewiesen, dass sich ihre Bienen an die Varroamilben gewöhnt haben. Einige Imker haben nach dem Auftreten der Varroamilbe in den 80er Jahren nie mit einer Behandlung begonnen. Andere haben schnell die strategische Einbahnstrasse erkannt und mit der Behandlung aufgehört. Heute sind sie an einem Punkt angelangt, an dem ihre Statistiken und die begleitenden wissenschaftlichen Studien eindeutig zeigen, dass Bienen völlig ohne Behandlung gehalten werden können. Mehr noch, die Überlebensraten sind bei den Nichtbehandlern sogar signifikant höher als bei den Behandlern!
Aber bleiben wir vorerst in der Schweiz, wo die Resultate leider nicht so einfach zu erzielen sind. Ich bin und werde wohl immer ein Stratege bleiben, dem langfristiges und damit nachhaltiges Denken wesentlich näher liegt als der vermeintliche kurzfristige Erfolg oder noch schlimmer die kurzfristige Gewinnmaximierung. Deshalb haben wir mit FreeTheBees verschiedene Alternativen und Kompromisse geschaffen, wie mit der Varroa-Problematik zumindest vorübergehend umgegangen werden kann.
Keine Bienenbehandlung ohne vorherige Befallsmessung
Im Juli muss nun die Milbenbelastung gemessen werden, um die richtige Behandlungsstrategie festzulegen. Meiner Meinung nach ist es nicht zulässig, ein Bienenvolk zu behandeln, ohne sich vorher ein Bild über den Befallszustand gemacht zu haben. Es käme ja auch niemand auf die Idee, vorsorglich eine Chemotherapie durchzuführen, ohne eine Krebserkrankung zu diagnostizieren.
Wie man die Milbenlast misst, ist recht gut in unseren Kursunterlagen ausgeführt. Auch ist differenziert aufgeführt, wo die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Messmethoden liegen.
Wer misst, misst Mist, pflegte einer meiner Dozenten am Technikum in Winterthur zu sagen. Genauso verhält es sich beim Messen der Milbenbelastung. Man muss sich bewusst sein, was man genau misst und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen.
Das allseits von der konventionellen Imkerschaft zelebrierte Messen des Milbentotenfalles ist zwar in der Praxis einfach und von allen Imkerinnen und Imkern einsetzbar. Aber mit Verlaub, das hat nur eine sehr begrenzte Aussagekraft. Milben fallen leider (oder zum Glück…!) nicht nur eines «natürlichen» Todes, wie die Befürworter dieser Methode annehmen. Sie fallen eben auch, weil sie von Feinden angegriffen werden, die sich gegen sie verteidigen. Darunter der Scimitus (Stratiolaelaps scimitus), der Bücherskorpion (Chelifer cancroides) und sogar unsere westliche Honigbiene (Apis mellifera), die in der Lage ist, ihre Kolleginnen von der Milbe zu befreien. Grooming nennt sich das Fachwort, eine Art Entlausung, wie von den Affen bekannt.
Wer jetzt richtig messen will, muss entweder mit der CO2- oder der Puderzuckermethode die Milben von den brutpflegenden Jungbienen abwaschen oder jede gefallene Milbe unter dem Vergrösserungsglas (7-10x) untersuchen. Ron Hoskins in England trieb es auf die Spitze, führte jahrelang Statistik und vermehrte nur die Völker, bei denen er besonders viele geschädigte (also nicht von selbst gestorbene) Milben fand. Sein Erfolg mit der behandlungsfreien Imkerei gibt ihm Recht.
Wer den Aufwand scheut, misst trotzdem den Milbenfall, wohl wissend, dass er unter Umständen das beste Bienenvolk, das die Milbe selbst in Schach halten könnte, unnötig behandelt und damit unerwünschte Nebenwirkungen erzeugt und das Volk schwächt.
Naturnah gehaltenes Bienenvolk alternativ mit Thymol behandeln
Nehmen wir zunächst den Fall eines naturnah gehaltenen Bienenvolkes (Terminologie gemäss der allseits bekannten FreeTheBees Imkermethodik). Ausgeschwärmt oder nicht ausgeschwärmt ist hier wenig entscheidend, auch, ob es sich um einen neu eingezogenen Schwarm oder ein Muttervolk handelt.
Wenn im Juli die Milbenlast zu hoch ausfällt, kann es sinnvoll sein, das Bienenvolk einer Thymolbehandlung zu unterziehen. Wie das im Detail gemacht wird, kann dem FreeTheBees Konzept der alternativen Varroabehandlung entnommen werden.
Da Thymol nicht in den Brutzellen wirken kann, muss es über mehr als einen Brutzyklus einwirken. Entscheidend ist zudem die Stabilhaltung der Thymolkonzentration in der Stockluft. Da ab Mitte September die Nächte wieder kühler werden können, was die Wirkung des Thymols stark mindert, müssen vor den ersten kalten Nächten zwei Brutzyklen abgedeckt werden. Das bedeutet, dass die Behandlung bereits Ende Juli beginnen muss, wenn sie erfolgreich sein soll.
Wie ich das seit 6 Jahren erfolgreich und mit unterdurchschnittlichen Verlustraten praktiziere, habe ich in dem verlinkten Konzept ausführlich beschrieben.
Ein extensiv gehaltenes Bienenvolk über die komplette Brutentnahme oder das Bannwabenverfahren entmilben
Wie bereits mehrfach erwähnt, erachte ich die komplette Brutentnahme nach Dr. Büchler, oder neu und noch besser, sein Bannwabenverfahren als eine sehr gute Alternative in der Varroabehandlung. Dank dieser beiden Methoden ist es möglich, gänzlich chemiefrei genau gleich viel Honig zu produzieren, wie die konventionelle Imkerschaft.
Die komplette Brutentnahme ist ausführlich beschrieben und bebildert. Sie setzt allerdings ein Minimum an Erfahrung mit den Bienen voraus, wie auch den Einsatz von mobilen Wabenrähmchen. Im Schweizerkasten ist der Eingriff etwas zeitaufwändiger als in einer Dadant oder eine Warré mit Rähmchen.
Das modernere und optimierte Bannwabenverfahren fehlt aktuell noch auf der Webseite von FreeTheBees, ist aber auf der Webseite des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen verfügbar.
Büchler hat umfangreiche Studien gemacht. In seiner Umgebung eignete sich für die komplette Brutentnahme Mitte Juli am optimalsten. Man darf nicht allzu lange damit warten, die Bienenvölker müssen etwas Wabenmaterial nachbauen und die herausgenommene Generation Brut ersetzen. Büchler zeigt, wie sie anzahlmässig genauso stark in den Winter gehen, wie die konventionell behandelten Völker, aber bezüglich ihrer Abwehrkräfte gestärkt sind. Genauso wie beim Schwarmtrieb stellen auch die komplette Brutentnahme und das Bannwabenverfahren eine «natürliche» Reinigungsfunktion dar.
Viel Spass beim Umsetzen, ich freue mich, weitere Einblicke in meine Arbeit im August geben zu können.
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Frühere Beiträge des Imkerkalenders finden Sie hier:
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Januar – Februar: Retrospektive und Planung der neuen Bienensaison
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März: Vorbereitung der neuen Bienensaison und Sicherstellen der Futterversorgung
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August: Wie beeinflussen Standort und Bedingungen die Gesundheit der Bienenvölker im Hochsommer?
- Imkerkalender September: Herbstgedanken und Jahresrückblick eines naturnahen Imkers