Von André Wermelinger, Geschäftsführer FreeTheBees
Kaum habe ich mit meinem Imkerkalender begonnen, ist schon wieder Herbst! Für das Jahr 2024 habe ich mir viel vorgenommen und auch viel davon umgesetzt. Aber wie jedes Jahr wird die Liste länger und die verbleibende Zeit bis zum Jahresende kürzer. Ich übe mich im Fokussieren und Prioritäten setzen.
Der Spätsommer und Frühherbst ist meist stark geprägt durch meinen Garten. Wie bereits früher einmal erwähnt, ist mein Garten recht wild, aber auch ansehnlich gross. Meist kommt dann im Herbst der Tag, an dem der erste Frost angekündigt wird. Das treibt mich jeweils nach der Arbeit mit der Taschenlampe in den Garten, wo ich unter dem Unkraut nach verstecktem Gemüse suche. Einmal in der Küche, verbringe ich einen Grossteil der Nacht mit Kochen, Einmachen und Einfrieren. Der Aufwand lohnt sich, ich kann danach meist monatelang aus der Gefriertruhe auf eigenen Früchten und vom eigenen Gemüse leben. Meine Mahlzeiten sind superschnell zubereitet und könnten frischer kaum sein. Vom Garten in die Gefriertruhe und auf den Teller.
Abschluss der Bienensaison und Wintervorbereitung
Mit den kalten Nächten müssen auch die alternativen Behandlungen unserer Bienen mit beispielsweise Thymol abgeschlossen sein. Auch das flüssige Zufüttern ist ab ca. Mitte September kaum mehr möglich. Die Bienen sind längst im Winterbetrieb. Sie müssen gesund, soweit möglich parasitenfrei und auf genügend Reserve in den Winter gehen. Da ich seit jeher auf jegliche Winterbehandlung verzichte, ist hiermit auch meine Bienensaison abgeschlossen.
Beurteilung der Futterreserven in SwissTrees und Warrés
Ich werde immer wieder gefragt, wie man denn in SwissTrees oder in Warrés wisse, ob genügend Futter vorhanden ist. Ich habe im Imkerkalender für den Monat März schon auf die entsprechenden Kursunterlagen verwiesen, wie ich mittels einer Zugwaage anhand des Gewichtes grob die Honigreserven ermitteln kann. Falls wir aber ein Fenster haben, erhalten wir ebenso wertvolle Informationen über die Honigvorräte. Lange sieht man am Fenster rein gar nichts. Und plötzlich erscheinen am Fensterrand die ersten Nektareinlagerungen in den Randzellen. Wenn dann oben in der Beute die ersten Wabenzellen des oberen Drittels gefüllt und verdeckelt sind, ist das für mich ein Zeichen, dass die Reserve ab jetzt so langsam ausreichen könnte.
Überwinterung in Warré-Beuten: Praxis und Erfahrungen
Ein weiteres Thema, was regelmässig und oft aufkommt, ist die Frage, mit wie vielen Zargen ich jeweils die Bienen in meinen Warrés überwintere. Wie in verschiedenen Dokumenten von mir schriftlich festgehalten und wie auf den meisten Fotos sichtbar, habe ich fast durchgängig 3 Warré-Zargen aufeinandergestellt. Emile Warré entfernt im Herbst die dritte unterste Zarge und lässt die Bienen auf zwei Zargen überwintern. Mir scheint einerseits das Volumen unterhalb wenig energiezehrend, deshalb stört es mich auch nicht. Andererseits habe ich mehrmals versucht, meinen Bienen im Herbst die unterste Zarge wegzunehmen und stellte fest, dass die Völker stark sind, die unterste Zarge gerne benutzen, selbst wenn noch kein Wabenbau drin ist. Ich hätte sie stark stören und zusammenpferchen müssen.
Rückzug in die Natur: Herbst auf der Alphütte
Und dann kommt im Herbst die Zeit, wo ich mich gerne einmal in meine Alphütte zurückziehe. Die Kühe und Alphirten sind wieder unten. An weniger schönen Tagen gibt es keine Touristen. Ich fühle mich in den Fribourger Voralpen fast alleine und geniesse die Ruhe in der Natur. Übrigens lebt seit diesem Frühling auf meiner Greyerzer-Alp erstmals ein wildes Bienenvolk in meinem eigenen Zeidlerbaum. Auch zwei SwissTrees wurden spontan besiedelt. Weiter 4 Warré-Beute sind auf meinem Bienenstand. Ich staune immer wieder, wie auch auf 1’400m.ü.M. Habitate und Nistplätze spontan und mit hoher Erfolgsrate, zahlreich besiedelt werden.
Die Bedeutung der Jahresreflexion für Imker
Mein Imkerkalender startete im Januar und Februar mit einer Retrospektive der vergangenen Saison und Planung des Folgejahres. Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen. Noch (im September) ist es zu früh, um wirkliche Rückschlüsse auf die Bienensaison ziehen zu können. Man kann im Herbst getrost zurücklehnen und die Natur beobachten und geniessen. Es erscheint mir aber wichtig, rechtzeitig im Winter alle Resultate zusammenzuziehen, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, was man ursprünglich erreichen wollte. Welche Vorgehensweise man sich zurechtgelegt hat. Und dann eine ehrliche Bilanz zu ziehen, wie gut man sich an die Vorgaben hielt und welche finalen Resultate daraus entstanden.
Natürliche Selektion und Bienenverluste: Ein evolutionärer Blickwinkel
Und wenn einmal ein Jahr weniger erfolgreich verläuft, ist das noch längst kein Grund, den guten Glauben an sein Tun und Lassen zu verlieren. Die Natur arbeitet im Überfluss. Der Überfluss wird eingeschränkt durch die natürliche Selektion. Es gibt bessere und schwierigere Jahre, aber auch diese sind nichts anderes als ein Teil der Selektionskriterien.
Wir leben in einer Zeit, in der wir regelmässige und stetige hohe Profite anstreben. Das ist ein menschlicher Anspruch, der rein gar nichts mit natürlichen Grundprinzipien zu tun hat. Jahrzehnte der Ertragsmaximierung und Verlustminimierung gehen nicht spurlos an unseren Bienen vorbei. Wenn wir das natürliche Gleichgewicht wiederherstellen wollen, die Bienen also ermöglichen, sich an ihre aktuelle Natur anpassen zu können, müssen wir Verluste begrüssen oder wenigstens akzeptieren. Bienenverluste sind in meiner Denkweise keine Rückschläge und haben nur begrenzt etwas mit unserer eigenen Imkertätigkeit zu tun. Bienenverluste sind ein Fortschritt auf der Zeitachse der Evolution. Und, wie wir bereits wissen: «Nichts in der Biologie ergibt Sinn ausser im Licht der Evolution».
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Herbst, einen ruhigen und reflektionsangeregten Winter und hoffe, dass Ihnen die Lektüre des Imkerkalenders Freude bereitet und Ihnen einen Einblick in meine Arbeit gegeben hat.
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Frühere Beiträge des Imkerkalenders finden Sie hier:
-
Januar – Februar: Retrospektive und Planung der neuen Bienensaison
-
März: Vorbereitung der neuen Bienensaison und Sicherstellen der Futterversorgung
-
August: Wie beeinflussen Standort und Bedingungen die Gesundheit der Bienenvölker im Hochsommer?
- Imkerkalender September: Herbstgedanken und Jahresrückblick eines naturnahen Imkers