«Die Varroamilbe hat ihren Biss verloren»
Erfahrungen der behandlungsfreien Imkerei – eine Präsentation auf der Welsh Beekeepers Convention (WBKA) in Builth Wells
von Clive und Shân Hudson
Clive und Shân Hudson informierten an der WBKA Konferenz in Builth Wells am 30. März 2019, mittels aktueller Daten über ihre Erfahrungen der behandlungsfreien Imkerei. Sie taten dies aus sehr persönlicher Sichtweise. Clive Hudson und seine Ehefrau Shân imkern seit 34 Jahren als Hobbyimker. Sie überwintern derzeit rund 20 Bienenstöcke in drei Bienenhäusern. Seit 10 Jahren behandeln sie ihre Bienen nicht mehr gegen Varroa. Ihre Erfahrungen teilen sie, wie sie sagen „mit gutem Gewissen, auch wenn sie keine Wissenschaftler seien, sondern vielleicht eher Enthusiasten“. Enthusiasten, die immer mehr Anhänger finden, welche ebenfalls den Weg der Nichtbehandlung gehen.
Warum manche Bienen mit der Varroamilbe umgehen können und andere nicht, dazu gibt es unterschiedliche Ideen:
- Hygieneverhalten
- REViVe-Projekt: der Ausschluss von Superinfektionen (mit einem höheren Gehalt an Deformed Wing Virus (DWV) – Variante „B“, welche die schädlichere Wirkung der DWV -Variante „A“ bekämpft
- Decapping / Recapping ( ‘Entdeckeln und Wiederverdeckeln der Brut’) – eine kürzlich entdeckte Fähigkeit, mit der Bienen die Varroa-Population stören können (siehe auch Folie 5 zum Thema:https://www.bienen.ch/fileadmin/user_upload_relaunch/Dokumente/Funktionaere/Praesentationen-Vortraege/Varroatoleranz_lokale_Anpassung_R._Ritter_apiservice.pdf)
- Evolution und natürliche Selektion (Siehe auch „Darwinian Beekeeping“ von Prof. Seeley und Prof. Neumann)
All die genannten Punkte sind Veränderungen im Verhalten von Bienen, welche die Zeit und den Freiraum hatten, sich weiterzuentwickeln. Clive und Shân sind überzeugt davon, dass sich lokal angepasste Honigbienen derart entwickeln, dass sie lernen mit der Varroamilbe zusammenzuleben. Bienen, die behandelt werden, erhalten diese Gelegenheit der Anpassung nicht. Professor Tom Seeley, bestätigt ebenfalls, nach unzähligen Studien in Arnot Forest, USA zur behandlungsfreien Methode, dass europäische Honigbienenvölker ohne chemische Behandlung die Varroamilbe überleben können. Es gibt bis heute keine Behandlung, welche die Varroa vollständig ausrottet. So brüten behandelte Kolonien kontinuierlich Milben aus, welche die Behandlung überstanden haben.
Wie haben Clive und Shân diese Erkenntnis als Imker selbst erlebt?
1985 – 1998: Traditionelle Bienenzucht ohne Varroa
1998 (August): Die erste Varroamilbe wird in ihren Bienenstöcken gefunden. Sie behandeln mit Bayvarol / Apistan
2006 (Herbst): Es erfolgt die letzte Behandlung mit Bayvarol / Apistan, da die Varroamilbe dieser Behandlung gegenüber eine Resistenz entwickelt hat
2007 (Frühling): Thymol¹ in Speiseöl verdünnt wird auf ein Schwammtuch aufgetragen
2008 (Januar) Oxalsäure, 5 ml pro Wabengasse.
2008 (April) Thymolkristalle, 2 TL auf Sackleinen
2009 (März) Letzte Thymol Behandlung
2009 – 2019 Traditionelle behandlungsfreie Bienenzucht
Warum haben Clive und Shân aufgehört zu behandeln?
Sie nennen drei Gründe:
- Bedenken hinsichtlich der von ihnen verwendeten Chemikalien: Apistan / Bayvarol wurden nicht mehr empfohlen, da Varroamilben eine Resistenz gegen diese aktiven Chemikalien entwickelten. Sie mochten die Oxalsäure nicht. Diese schädigt nachweislich die Bienen. Sie mochten auch nicht die Art und Weise, wie Bienen auf Thymol reagierten, sowie den Nachweis von Thymolverunreinigungen im Honig.
- Die Beobachtung, dass die Anwesenheit von Varroamilben und Varroa-geschädigten Bienen in ihren Bienenstöcken von Saison zu Saison abnahm; auffallend war im speziellen die Saison 2009, als sie einige Bienenstöcke mit und andere ohne Thymolkristalle behandelten und im Verlauf der Saison keinen wesentlichen Unterschied feststellen konnten.
- Lokale und wildlebende Kolonien existieren. Das Paar fand Kolonien in umgestürzten Bäumen. Die darin lebenden Bienen und Brut waren gesund und Varroa-frei. Die Existenz von starken wilden Kolonien, die offensichtlich keine Varroabehandlung erfahren hatten, überzeugte Clive und Shân. Ein Beispiel war eine Kolonie, die sie in einer uralten Eiche fanden. Nach einem heftigen Sturm musste die Eiche gefällt werden und legte eine wundervolle Honigbienenkolonie frei. Diese Kolonie war gesund, 17 Jahre nachdem die Varroa bei ihnen angekommen war!
Zusammenleben mit der Varroamilbe
Clive und Shân heben ausserdem hervor: „Wir haben Varroamilben in unseren Bienenstöcken“. Ihre Zahl sei jedoch gering, wie Messungen an ihren Bienenstöcken durch Dylan Ellen von der Bangor University im Rahmen seines Promotionsforschungsprogramms in der vergangenen Saison bestätigten. Ihre Bienen seien völlig normale Bienen wie auch ihre Bienenzucht total normal sei. Sie seien sehr zufrieden und sie freuten sich, dass sich die Welsh Beekeeping Association für die Aufzucht und Haltung lokal angepasster Bienen einsetze. Die beiden sind klar gegen die Einfuhr fremder Honigbienen-Unterarten. Im Weiteren seien sie nicht allein. Die Mitglieder ihres Kreises arbeiten überwiegend behandlungsfrei. Die Warnungen von 2010 bezüglich dem CCD, Colony Collapse Disorder², beunruhigte selbstverständlich auch sie. Während fünf Jahren führten sie deshalb eine Winterverlust-Umfrage bei den örtlichen Imkern durch. Sie wollten wissen, was wirklich hinter dem CCD steckte. Dabei stellten sie fest, dass viele Imker ebenfalls mit der Nichtbehandlung experimentierten. In ihrem letzten Erhebungsjahr 2014 – 2015 behandelten 65 von 77 teilnehmenden Imkern nicht. In den fünf Erhebungsjahren hatten sie die Daten zu 1573 Kolonien erhoben; die Winterverluste für behandelte Kolonien betrugen durchschnittlich 19%, die für unbehandelte Kolonien 13% (die Umfrageergebnisse wurden jährlich im Welsh Beekeeper Magazine veröffentlicht und in einem Artikel in den BBKA News im Dezember 2016 zusammengefasst. Dr. Dorian Prichard hat die Studien analysiert und veröffentlicht.) Gemäss ihrem Wissen sind dies die aktuellsten Daten, die derzeit zur Nichtbehandlung erhältlich sind.
Clive und Shân haben ihre Erfahrungen immer gerne mit anderen Imkern geteilt, auch mit den Bieneninspektoren. Am 11. Juli 2013 hatten sie Besuch von einem Inspektoren-Trio: ihr örtlicher Inspektor, der regionale Bieneninspektor für Wales und ein Kollege in der Ausbildung. Sie inspizierten 23 Kolonien und stellten fest, dass alle Bienen gesund waren. Im Verlauf der Jahre wirkten sie auch an einer Reihe von Forschungsprojekten mit.
Chemie verhindert die natürliche Selektion
Die Erfahrungen der beiden beweisen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Sie haben in den vergangenen zehn Jahren die Bienen so gehalten, wie sie dies vor der Ankunft der Varroamilbe taten. Und es scheint, dass die Bienen das heisse Wetter mögen. 2018 sei die beste Honigernte denn je gewesen. Nebst ihren eigenen Erfahrungen gibt es zahlreiche Belege, die für die behandlungsfreie Imkerei sprechen. Clive zitiert dazu einen Vertreter des WBKA an der 2018er Jubiläumskonferenz: “Wollen wir immer noch mehr Chemikalien auf das Problem schütten und damit die Toleranzentwicklung durch natürliche Selektion weiter hemmen?” Und Tjeerd Blacquière spricht in seinem Essay „Ein Plädoyer für die Nutzung der natürlichen Widerstandsfähigkeit von Honigbienen in der Bienenzucht“ von der „überraschend natürlichen Selektion nach nur wenigen Jahren des Varroa Behandlungsverzichts“.
Ermutigende Erfahrungen teilen
Die beiden wollen nicht Ratschläge erteilen. Ihr Wunsch sei es, ihre Erfahrungen mit anderen Imkern zu teilen. Und falls ein Imker in den ersten Jahren seiner Imkerei stehe und von einem Imker betreut werde, der sich für eine Behandlung einsetzt, muss nicht alles aufs Mal auf den Kopf gestellt werden. Imker mit viel Erfahrung und einem Interesse, seine Bienen behandlungsfrei zu halten, sollen ihr eigenes Experiment mit den ersten Bienenstöcken starten.
Dazu zitiert Clive aus einem inspirierenden und informativen Brief von Joe & Chris Ibbertson (Welsh Beekeeper Magazine, Ausgabe 197), in welchem diese mit den Worten schliessen: „Die Lösung des Varroa-Notstands liegt in den Händen des Imkers.“
¹Thymol ist ein terpenoider Naturstoff. Es zeichnet sich durch eine starke desinfizierende, fungizide und bakterizide Wirkung aus und wird wegen seines angenehmen Geschmacks in Mundwässern, Zahnpasta und in alkoholischer Lösung zur Hautdesinfektion beziehungsweise lokal gegen Hautpilze eingesetzt, wie zum Beispiel als Bestandteil von Vaginalkapseln oder zur Behandlung von Mundhöhlenpilz bei AIDS-Patienten. In der Veterinärmedizin wird Thymol ebenfalls seit vielen Jahren zur Behandlung von Hautpilzinfektionen, aber auch als Verdauungsförderer verwendet. In der Bienenpflege findet Thymol eine Anwendung als Wirkstoff gegen Milbenbefall (Varroose).
²Colony Collapse Disorder:Eine Störung, die Honigbienenvölker betrifft und einen plötzlichen Kolonietod verursacht, ausgelöst durch einen Mangel an gesunden erwachsenen Bienen im Bienenstock. (www.britannica.com)