Korrektur Artikel “Asiatische Hornissen: Innovative Fangtechniken zum Schutz der Biodiversität” im Bulletin Nr. 31 – Sommer 2024
Liebe Leserinnen und Leser
Im Rahmen unseres Bestrebens nach höchster Qualität und Genauigkeit in unseren Publikationen möchten wir Sie über eine notwendige Korrektur in unserem letzten Bulletin informieren.
Wir haben festgestellt, dass das Titelbild zum Artikel über die Asiatische Hornisse fälschlicherweise eine Vespa mandarinia japonica statt der beabsichtigten Vespa velutina nigrithorax zeigt. Darüber hinaus haben wir nach sorgfältiger Überprüfung entschieden, den Artikel aufgrund inhaltlicher Ungenauigkeiten und einer zu einseitigen Darstellung zu entfernen.
Um dieses Thema angemessen und ausgewogen zu behandeln, haben wir zwei Experten auf diesem Gebiet um ihre Beiträge gebeten:
- Charly Giesen, Hornissen-Experte aus Deutschland
- Andi Roost vom Hornissenschutz aus der Schweiz
Ihre fundierten Erkenntnisse präsentieren wir Ihnen anschliessend in einem neuen, umfassenden Artikel, der eine ausgewogene und wissenschaftlich korrekte Perspektive auf das Thema bietet.
Wir bedauern diesen Fehler aufrichtig und möchten uns bei Ihnen für etwaige Verwirrung entschuldigen. Unser Engagement für Genauigkeit und Integrität in unserer Berichterstattung bleibt ungebrochen, und wir schätzen Ihr Verständnis und Ihre kontinuierliche Unterstützung.
Für Fragen oder weitere Informationen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.
Das FreeTheBees Team
Die asiatische Hornisse (Vespa velutina nigrithorax) – welche Risiken bringt sie mit und wie können und sollen wir damit umgehen?
Artikel von Charly Giesen und Andi Roost
Die asiatische Hornisse ist seit 2004 ständiger „Gast“ in Europa. Von Bordeaux ausgehend verbreitet sie sich derzeit über Mitteleuropa. Schwerpunkt sind in Deutschland derzeit (noch) die wärmeren Regionen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg in Deutschland, Genf, Jura und Waadtland in der Schweiz. Das wird sich aber mit grosser Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren ändern. Die „natürliche“ Ausbreitungsgeschwindigkeit beträgt ca. 70km pro Jahr und hat sich Richtung Nordosten verlangsamt. Durch menschliches Zutun (Transfer mittels Logistik) geht es auch viel schneller (erste Vorkommen gibt es schon in Schleswig-Holstein, ausgehend von Inselpopulation in Hamburg 2020).
Um die möglichen Risiken der Vespa velutina genauer zu analysieren, gehe ich zunächst auf die dafür wichtigen Unterschiede zwischen Vespa velutina und Vespa crapro ein.
Wodurch unterscheidet sich die Vespa velutina (Vv) von der (in Deutschland streng geschützten) Vespa crabro (Vc)?
Äusserlich ist die Vv etwas kleiner als Vc. Ihr Thorax und Abdomen sind dunkler (schwarz) mit wenigen gelborangen Ringen. Ihre Beine sind im vorderen Drittel gelb, sonst dunkel gefärbt und nicht rotbraun wie bei der Vc.
Die Vv ist sehr aufmerksam in Nestnähe (wie auch die Vc), geht zum Angriff aber nur über, wenn sie sich direkt bedroht fühlt. Ich konnte in den letzten Jahren keine Unterschiede in der Verteidigungsbereitschaft erkennen. Selbst grosse Sekundärnester mit >1000 Hornissen waren völlig entspannt bei langsamer Annäherung bis auf 1m Abstand.
Ein weiterer Unterschied zur Vc ist die Bildung eines Primärnest (häufig in unmittelbarer Umgebung der Menschen: unterm Ortgang, im offenen Wintergarten, im leeren Vogelhaus etc.), frei hängend oder an lichtem Ort (Vogelhäuschen). Vc tut dies im Verborgenen als Höhlen- oder Nischennister. Circa Mitte/Ende Juli schaffen die Arbeiterinnen von Vv ein Sekundärnest, das meist sehr versteckt und hoch in den Bäumen entsteht und oft erst im Spätherbst entdeckt wird. Die Sekundärnester haben in Europa bis zu ca. 2000 Hornissen und sind damit viel mehr als die Vc. Vc bildet nur Sekundärnester, wenn der Wohnraum zu eng wird und keine andere Ausbaumöglichkeit verfügbar ist.
Die Vv schafft bei guten Bedingungen viele hundert oder sogar über tausend Jungköniginnen nach.
Das Nahrungsspektrum ist bei beiden Hornissenarten etwa gleich. Für ihre Larven benötigen sie tierisches Eiweiss. Quellen dafür sind zahlreiche Fliegenarten, Bremsen, Heuschrecken, Vespula-Arten und Honigbienen. Aufgrund der in der Regel grösseren Volksstärke benötigt die Vv mehr Nahrung. Einige Quellen haben diese auf ca. 10 kg Insekten in einer Jahrespopulation pro Sekundärnest angegeben.
Eine direkte Auseinandersetzung der Vv mit der Vc ist bisher nicht bekannt. Die Vc Königinnen bekämpfen sich während der Nestgründungsphase im Frühling regelmässig, ob dies bei Vv auch der Fall ist, ist bislang noch nicht im Detail bekannt!
Welche Risiken können potentiell durch die Vv auftreten?
Die Vv ist zwar nicht aggressiver als die Vc (beide verteidigen nur bei Gefahren für ihr Nest in unmittelbarer Nähe). Aufgrund der z.T. viel grösseren Anzahl an Tieren pro Nest kann das Risiko bei Neststörung bei der Vv grösser sein. Aber auch eine Neststörung der Vc ist ohne Schutzkleidung sehr gefährlich.
Die Giftwirkung ist bei beiden Hornissenarten ähnlich: Aus meiner peinvollen Erfahrung etwas schmerzhafter als bei Honigbienen oder Wespen, aber weniger toxisch als Wespen- oder Honigbienengift. In seltenen Fällen kann ein Mensch auch eine echte Wespengiftallergie haben, obwohl er nicht gegen Stiche der Honigbiene allergisch ist (ebenso umgekehrt). Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der von einer Vv gestochen wurde (ausser Hornissenberater).
Sowohl Vv als auch Vc „bedienen“ sich an den Honigbienen. Aufgrund dieser Tatsache haben es französische Imker und Imkerverbände geschafft, dass die Vv in der EU als invasiv und zu bekämpfende Art eingestuft wurde! Es stellt sich die Frage: „Ist die Vv wirklich eine existenzielle Bedrohung für die europäischen Honigbienen – wie es viele Imker kommunizieren?“ Französische Imker haben als „Beweis“ für diese Hypothese den Rückgang der Honigproduktion pro Beute angeführt.
Die Vespa velutina (Vv) stellt für Honigbienen während der meisten Zeit des Jahres keine grössere Gefahr dar als die einheimische Vc. Ein bedeutender Unterschied liegt jedoch in der höheren Kältetoleranz der Vv. Während dies im Frühjahr kaum Auswirkungen hat, zeigt sich im Herbst ein anderes Bild: Die Vv bleibt bis zu Temperaturen um den Gefrierpunkt aktiv, wenn andere Hautflügler bereits inaktiv sind. Zu dieser Zeit fliegen an schönen Tagen noch immer Honigbienen aus. Geschwächte oder schwache Bienenvölker sind daher eher gefährdet als starke, gesunde. Aus imkerlicher Sicht stellt dies einen Schaden dar, evolutionsbiologisch betrachtet handelt es sich um natürliche Selektion. Diese Dynamik ist besonders in Regionen wie der Südpfalz zu beobachten, wo beide Hornissenarten etwa zeitgleich Mitte/Ende April aktiv werden.
Das die Vv „ganze Bienenvölker platt gemacht hat“ habe ich bisher nicht erlebt! Auch überfällt die Vv die Beuten nicht „im Schwarm“ so wie es von der Vespa mandarinia bekannt ist und immer wieder verwechselt wird (die Vespa mandarinia ist wesentlich grösser (30-50 mm) als die Vv und Vc . Es sind immer einzelne oder einige wenige Vv die versuchen (und das recht erfolgreich, da sie bessere „Flugkünstler“ als die Vc sind) die Beute anfliegende Honigbienen im Flug zu fangen. In einer Beute habe ich noch nie eine Vv gesehen, denn auch diese würde gepackt und gegrillt. Zudem kann der Imker durch einen Mäuseschutz (Gitter mit ca. 6-7 mm Maschenweite) oder Vorbau seine Bienen schützen. Im Internet werden viele Alternativen zur Vermeidung/Reduzierung von Räuberei durch die Vv publiziert (weitere Gitter vor der Beute, die Einflugschneise durch Trennscheiben einschränken, …). Viele davon sind unwirksam, häufig nicht selektiv und damit auch verboten (und dazu gehört insbesondere die Abtötung durch Lockfallen, die immer viele Kollateralschäden verursachen!).
Aufgrund der aufgezeigten Unterschiede von Vv zur Vc und daraus abgeleitet die möglichen Risikopotentiale sollte klar sein, dass die Sache mit der Vv nicht so klar ist, wie es einige Imker, Imkerverbände und auch Medien darstellen.
Aus meiner Sicht ist dagegen eines klar (um es mit einer Meldung der Süddeutschen Zeitung zu sagen):
„Gekommen um zu bleiben“.
Alle Massnahmen zur „Entnahme“ der Vv sind Sisyphusarbeiten. Nur die Natur kann hier die Grenze definieren, der Mensch hat das Problem zwar geschaffen, aber beheben kann er es nicht mehr (so wie es auch bei anderen invasiven Arten geschehen ist). Die Natur wird letztendlich die Grenzen definieren und ein neues ökologisches Gleichgewicht herstellen. Der Prozess und das Ergebnis dieser natürlichen Anpassung sind ungewiss. Sicher ist nur, dass sich ein neues Gleichgewicht einstellen wird – der Zeitrahmen und die genauen Mechanismen bleiben jedoch Gegenstand von Spekulationen.
Wichtiger rechtlicher Hinweis: In Deutschland unterliegt die Entnahme von Insekten strengen naturschutzrechtlichen Bestimmungen. Jegliche Entnahme erfordert eine Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde. Besonders kritisch sind Fangmethoden mit hohem Beifang, die auch geschützte Arten gefährden könnten. Solche Praktiken sind ohne entsprechende Erlaubnis untersagt und können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.