Aus dem Leben einer Beelining-Box
Wie alles begann
Die erste Berührung mit natürlicher Bienenhaltung war für mich eine Offenbarung. Dieses Anliegen hat mich nie mehr losgelassen. Vor kurzer Zeit habe ich nach einem Übungsprojekt für meine CNC-Fräse gesucht. Inspiration entspringt dem, was uns im Innern bewegt und beschäftigt. FREETHEBEES zu kontaktieren und Unterstützung aus der Holzbranche anzubieten, war deshalb ein naheliegender Schritt. Visionsträger André Wermelinger fehlte es nicht an Ideen und nach zielgerichteter Korrespondenz schickte er mir kurzerhand ein Modell einer BeeLining-Box.
Was ist eine Beelining-Box?
Offen gesagt, wusste ich das auch nicht. Eine Box mit zwei Schiebern in zwei Kammern unterteilt. Eine Veschlussklappe am einen Ende, eine Glasscheibe am anderen. Mit einigen wagen Theorien, wofür diese Box denn gut sei, tappte ich blindlings in den Entwicklungsprozess. Auf Andrés Modell gestützt, zeichnete ich einen ersten Entwurf im CAD (Computer Aided Design) und leitete diesen an ihn weiter. Offensichtlich sah meine 3D Animation der Box ausreichend funktionstüchtig aus, sodass mir André grünes Licht für einen physischen Prototypen gab. Und so startete ich die Erstproduktion, ohne den Zweck und den Einsatzbereich der Beelining-Box zu kennen.
Der Entwicklungsprozess nahm Fahrt auf. Jedem gefrästen Teil folgte eine Erkenntnis und mit jeder fertigen Box häuften sich Ideen zur Optimierung. Mit wertvollen Anstössen begleitete mich André auf meinem Weg zu einer Swiss-Made Beelining-Box. Es entstand eine Naturversion aus Fichten-Mondholz (1). Der Festigkeit wegen war dieses Modell mit einer Holzstärke von einem Zentimeter bemessen.
In der nächsten Evolutionsstufe fräste ich eine schlankere und leichtere Version aus dem industriellen Holzwerkstoff «MDF», ausgedeutscht
«Mitteldichte Faserplatte». Ebenfalls wechselte ich zu einem metallfreien Klappenmechanismus. Als Synthese daraus ergab sich ein Naturmondholzkörper mit Schieber und Klappen aus MDF, ohne Schrauben. Nebst dem funktionalitätsorientierten Reifungsprozess, experimentierte ich auch mit der Ästhetik.
Eine fantastische Realität
Was Beelining nun wirklich ist, übertraf meine Thesen an Fantasie und Abenteuerlichkeit bei weitem. Das Bienenfangen konnte ich mir noch selbst ausmalen. Ab da wird es wild: Die beiden Schieber werden geöffnet. Die Bienen folgt dem Tageslicht in die Futterkammer. Wegen der Glasscheibe kann sie nicht entfliehen. Jetzt wird die Box abgedunkelt, die Biene beruhigt und sättigt sich an dem bereitgestellten Zuckersaft. Nach fünf bis zehn Minuten öffnet man die Frontklappe, damit sie die Beute zu ihrem Stock zurückbringen kann. Dort heuert die Biene Verstärkung aus dem Arbeitervolk an und schickt diese mit dem Schwänzeltanz zur Futterquelle. Mit jedem Turnus fliegen mehr Bienen mit – angenähert an die perfekte Luftlinie vom Stock zur Zuckernahrung. Jetzt können die Bienen markiert werden, um die Zeit pro Flug zu dokumentieren. In Kombination mit der Wegflugrichtung kann ein Vektor berechnet werden. Diese markierten Bienen werden nun erneut in der Box gefangen und an einen anderen Standort transportiert. Von dort aus ergibt sich nach demselben Spiel ein zweiter Vektor. Mit einer Triangulationsrechnung schliesst man auf den ungefähren Standort des Bienenstamms (Im Idealfall ein wild lebendes Bienenvolk).
Mithilfe dieser Beelining Praktik, ist dem Menschen ein Einblick in das lebende Uhrwerk «Bien» gewährt. Die Box wäre ohne die an Perfektion grenzende Lebensweise und Organisation der Biene/«des Bien» ein nutzloses Stück Holz.
(1) Mondholz wird im Winter, in der Zeit des Jahreswechsels an einem bis zwei bestimmten Tagen geschlagen, wenn der Mond in der abnehmenden Phase ist. Dieses Holz hält länger, hat weniger Schädlingsbefall und verhält sich ruhiger (weniger Formveränderungen).
(2) Holzfasern und Leim werden zu einem homogenen Material gepresst.
Simon Müller