Von André Wermelinger, Geschäftsführer FreeTheBees
Regional, lokal und meteorologisch unterschiedlich, sind ab Mitte April sind die Bienen wieder in der Lage, auch ohne eigene Futterreserven und Notzufütterungen über die Runde zu kommen. Hier zählt insbesondere die neu verfügbare Nektarversorgung, Pollen war früher im Jahr schon gut verfügbar. Bereits blühen diverse Wiesen- und Heckenpflanzen, aber auch erste Bäume. Das Bienenvolk wird sichtbar grösser, die Flugaktivität nimmt zu, die Brut nimmt einen grossen Anteil des Wabenwerks in Besitz.
Meine Hauptaktivitäten sind im April noch stärker dem eigenen Garten als den Bienen gewidmet. Der Garten, der später auch den Bienen zugutekommt. Nebenbei bemerkt ist mein Garten bei weitem nicht so «sauber», wie jener meiner früheren Schwiegermutter. Mein möglicherweise als «etwas verwildert» bezeichneter Garten blüht früh im Jahr mit «Unkräutern», die diverse Insekten anlocken, beispielsweise der Taubnessel, Lamium purpureum. Ich warte in der Regel möglichst lange, bis ich den Garten neu bestelle und jäte ursprünglich nur jene Bereiche, die früh angepflanzt werden müssen. Umgestochen wird bei mir sowieso nicht, das würde die Bodenstruktur und die Vielfalt der Mikroorganismen stören. Es kommt jährlich der Häcksel von meiner Hecke und manchmal Komposterde obendrauf, das erhält den Boden perfekt und führt den Pflanzen Nährstoffe zu.
Ab Mitte April sind auch Schwärme möglich (die allerersten Schwärme aus dem Mittelland werden meist schon im März gemeldet). Insbesondere Imkerinnen und Imker, die neu starten und die Bienen auf Naturwaben- und Stabilbau halten möchten, sind besonders interessiert an starken, grossen und möglichst frühen Schwärmen. Ein Schwarm, der noch einen Teil der Haupttracht miterleben kann, entwickelt sich besonders schnell und gut. Nach der Haupttracht kommen neu einlogierte Schwärme kaum ohne Zufütterung aus. Sie überleben zwar die Trachtlücke, aber entwickeln sich so schlecht, dass sie nur in seltensten Fällen mit genügend Honigvorrat in den nächsten Winter gehen können.
Das vorbereitete Material steht für neue Schwärme bereit
Welche Methoden ich mit welchem Beutesystemen in der neuen Saison anwenden möchte, ist wie bereits im Januar und Februar beschrieben, definiert. Das hierfür notwendige Material habe ich im März entweder selbst gebaut oder eingekauft. Alles steht bereit für den Start. Meine Beuten sind platziert, Schwarmfangkästen stehen bereit, usw. Auch lasse ich, wider aller anderslautender Regeln aus der Imkerschaft, meine leeren Beuten gut angereichert mit altem Wabenmaterial und «geimpft» mit Mikrobiologie von einem älteren Bienenkasten (Gemüll aus der Mulmhöhle) offen stehen und freue mich auf den ersten spontan einziehenden Schwarm! Ein Schauspiel besonderer Faszination, Freude, Bewunderung und innerer Zufriedenheit. Der Winter ist vorbei, das Leben kommt zurück!
In der Regel fehlt mir das, was keinem konventionellen Imker fehlt: Ich bin nur begrenzt mit Honigräumen und Honigrähmchen ausgestattet. Mir macht fast alles an der Bienenhaltung Spass, aber ich kann mich nur begrenzt für die Honiggewinnung begeistern. Meistens entscheide ich dann erst im letzten Moment beim Durchstarten der Haupttracht mit dem Blühen der Kirschbäume, ob ich doch noch einem oder zwei Völkern einen Honigraum aufsetzen werde. Und meist muss ich mir das Material dann zuerst noch zusammensuchen, weil ich die Vorbereitung verpasst habe. Mir reicht der Honig von zwei Völkern alle zwei Jahre und das habe ich bisher gut hinbekommen. Honig von unbehandelten Bienenvölkern, gepresst, statt geschleudert, eine Rarität, die es so kaum irgendwo zu kaufen gibt.
Meine Honigpresse.
Das Aufsetzen eines Honigraumes führt zu unerwünschten Nebeneffekten
In der konventionellen Imkerei werden im April, je nach lokalen Umständen, Meteorologie und Stärke des Bienenvolkes bereits erste Honigrähmen im Honigraum dazugegeben (insbesondere im Schweizerkasten, der sich sehr kontinuierlich ausbauen lässt). Ich möchte hier nicht näher darauf eingehen, wann genau wie viel Honigraum optimal ist, das wissen sehr viele konventionelle Imker besser als ich.
Und wie ich nicht müde werde zu betonen, dient der Bau eines Honigraumes einzig und allein der Ertragssteigerung für den Imker. Mit dem unerwünschten Nebeneffekt der Verzögerung und unter Umständen Verhinderung, in jedem Falle aber Beeinflussung des natürlichen Verhaltens und Schwärmens des Bienenvolkes. Das hat einen direkten und ungünstigen Einfluss auf die Bienengesundheit, weil das Schwärmen eine performante Reinigungseinrichtung der Natur ist. Wenn ich das vor der Imkerschaft umgangssprachlich salopp und biologisch inkorrekt «Kastration» des Bienenvolkes nenne, werde ich jeweils heftig dafür in den Senkel gestellt und kritisiert. «Der Schweizer Imker ist ja nicht ertragsgeil und arbeitet nicht intensiv», meinen führende Verantwortungsträger aus der Imkerei. Aber niemand kann mir ein schlüssiges Argument geben, weshalb denn sonst in der «guten imkerlichen Praxis» ein Honigraum aufgesetzt werden soll. Wie wir wissen, verhungert ein wildlebendes Bienenvolk in der Natur oft, während der Imker 20kg Honig aus dem Bienenvolk erntet. Zwischen dem Hungertod und der 20kg-Ernte steht der Imker mit seiner Methodik, die wir bei FreeTheBees «intensiv» nennen. Und wie wir aufzeigen, wäre die naturnahe Erbringung der Bestäubungsleistung wichtiger als die intensive Produktion von Honig, sowohl ökologisch, wie auch ökonomisch begründet. Wir produzieren in der aktuellen Imkerei faktisch das falsche Produkt und dies noch auf eine höchst intensive und nicht nachhaltige Weise.
Aufbau, Renovation und Umplatzieren von Bienenständen
Der April ist der letzte Moment, um sich zu überlegen, wo man die Bienen überhaupt platzieren will und den Bienenstand entsprechend vorzubereiten. Fragt man zwei Imker, erhält man mindestens drei Meinungen, was hier richtig ist. Aber mir scheint, es zeichnen sich so ein paar Punkte ab, die man als Konsens betrachten darf.
Schauen wir zuerst in die Natur: Bienen nisten insbesondere hoch in den Bäumen, weit weg vom Boden. Mein ursprünglicher Lehrer und Meister, Emile Warré vertritt die Meinung, Bienen müssen am Boden gehalten werden. Ich meine, er irrt in diesem Punkt, auch wenn ich alles andere von ihm sehr wertschätze. Ich versuche, wo immer möglich, die Natur zu kopieren, auch wenn ich nicht immer alles evidenzbasiert begründen kann.
Weiter mögen Bienen keine windigen Plätze. Solche würden auch dem Bienenkasten unnötig viel Energie entziehen. Ebenso kann sich die direkte Hochsommersonne problematisch auswirken. Die Bienen sind zwar in der Lage, mit Wasser das eigene Zuhause zu kühlen, aber sie benötigen hierfür enorm viel Energie. Im hohlen Baum im Wald dürften Bienen diese Herausforderung auch kaum je in dieser Stärke gehabt haben.
Vom Norden kommt die kalte Bise, vom Westen der Regen, von oben die Sonne. Mir scheint deshalb, dass es Sinn macht, die Bienen insbesondere vor der Sonne von oben und von der Bise aus Norden schützen zu können. Für die Ausrichtung des Fluglochs verbleiben somit Osten und Süden. Ich bevorzuge die Ausrichtung nach Osten zur Morgensonne, aber wenn das Flugloch vor der Mittagshitze im Hochsommer geschützt ist (z.B. unter einer Hecke), richte ich die Fluglöcher auch nach Süden aus.
Ich putze meine Kästen seit vielen Jahren nicht mehr
Natürlich habe ich ohne jegliche Behandlung meiner Völker auch regelmässig Verluste. Aber diese gehören nun einmal dazu, es ist Teil der unentbehrlichen natürlichen Selektion, der einzige und alleinige Garant für Evolution. Ein Volkstod ist ein Fortschritt der Evolution, die starke Selektion in angepasst oder eben nicht angepasst. Wir müssen lernen, die aus der Imkerei bekannte negative Konnotation der Bienenverlusten zu relativieren und in ihren grösseren und übergreifenden Kontext zu stellen, zeitlich, wie auch räumlich.
In meinen imkerlichen Anfängen und jüngeren — noch naiveren — Jahren habe ich alle meine Bienenkästen peinlich gesäubert. Altes Wabenwerk musste raus, der Boden gefegt, alle Innenwände schön abgeflammt mit dem Gasbrenner. Mit der Idee der mikrobiologischen Reinheit, möglichst keine «bösen» Viren und Bakterien, porentief rein. Und mit einem entsprechend hohen zeitlichen Aufwand.
Nun, ich habe dazugelernt und sehe meine damaligen Gedanken heute in einem ganz anderen Licht. In den Jahrmillionen langen und sehr erfolgreichen Evolution der Bienen (wissenschaftlich korrekt sind es >30 Mio. Jahre, faktisch dürften es eher deren 70 Mio. Jahre sein, jedenfalls weit mehr als der Mensch mit seinen ca. 200’000 Jahren an Lebenserfahrung mitbringt) hat wohl noch nie jemand eine Baumhöhle gereinigt, geschweige denn desinfiziert. Heute wissen wir, wie wichtig sich das Mikrobiom im menschlichen Darm auf unsere Gesundheit auswirkt und haben zig Hinweise, dass dies auch fürs Mikrobiom in der Baumhöhle für die Bienengesundheit gelten dürfte. Michael Bush zitiert die 30 Insektenarten, 170 Milbenarten und 8’000 Mikroorganismen, die mit dem Bienenvolk zusammenleben. Viele davon sind wichtige Symbionten. Jene, die man vermeintlich als «gefährlich» bezeichnet, können sich positiv auswirken (bspw. das in der Wissenschaft zitierte wenig gefährliche Virus A, das die Bienen vor dem tödlichen Virus B schützt). Und selbst die unerwünschten sind nur ein Teil der Medaille, das Bienenvolk besitzt ja ein mehrstufiges Abwehrsystem mit Immunsystem und Abwehrstrategien.
Das führte mich vor einigen Jahren nach eingehenden Reflektionen zum Entscheid, keinen Bienenkästen mehr zu putzen, insbesondere nicht meine naturnahen Habitate wie die Baumhöhlenimitationen.
Stirbt nun ein Volk im Winter, gibt es zwei Szenarien:
- Ein neuer Schwarm zieht ein, reinigt, stellt altes Wabenwerk instand und hält die Wachsmotte in Schach. Das vorverbaute Habitat wird wiederverwendet und das Leben geht weiter.
- Kein neuer Schwarm zieht ein, die Wachsmotte zerfrisst alles, schafft ein neues Habitat für wiederum unzählige Tierarten und hinterlässt schlussendlich ein leeres und freies, «gereinigtes» Habitat für den Einzug eines neuen Bienenvolkes im nächsten Jahr. Nebenbei bemerkt wimmelt es von interessantem Getier in meinen «toten» Bienenkästen, da krabbeln bspw. auch unzählige Pseudoskorpione herum Artenvielfalt weit über das Bienenvolk hinaus!
Eine ganze Reihe an konventionellen Bienenexperten aus der Imkerei würden mich wohl einen Schweinehund nennen, wenn sie die von der Wachsmotte zerfressenen Habitate frei herumstehend öffnen würden. Aber mit einem etwas breiteren Blickwinkel betrachtet und einem Verständnis für biologische und evolutionäre Zusammenhänge (Nichts in der Biologie ergibt Sinn ausser im Licht der Evolution, Theodosius Dobzhansky 1973), wären sie wohl vorsichtiger in ihrer Verurteilung meines Ansatzes. So beispielsweise auch Prof. Alexandre Aebi von der Universität Neuchâtel, der mit einem seiner Doktoranden bei mir war und diverse Proben aus unterschieden Beutesystemen nahm, vom Centimeter-dicken Mulm bis zu Schabproben von den Habitatwänden. Die Proben werden jetzt sequenziert und ausgewertet, vermutet wird eine hohe Biodiversität in meinen Kästen. Ich scheine einer der ganz wenigen «Imker» zu sein, bei denen man solche wertvollen Proben überhaupt nehmen kann.
Kompost aus meinem Bienenstock.
Wabenreste in meinem SwissTree.
Viel Spass beim Umsetzen, ich freue mich, weitere Einblicke in meine Arbeit im Mai geben zu können.
Haben Sie Fragen? Dann nehmen Sie an unserem monatlichen online Community Meeting am 8. April zum Thema «Start in die Bienensaison» teil. Jetzt hier anmelden.
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Frühere Beiträge des Imkerkalenders finden Sie hier:
-
Januar – Februar: Retrospektive und Planung der neuen Bienensaison
-
März: Vorbereitung der neuen Bienensaison und Sicherstellen der Futterversorgung
-
August: Wie beeinflussen Standort und Bedingungen die Gesundheit der Bienenvölker im Hochsommer?
- Imkerkalender September: Herbstgedanken und Jahresrückblick eines naturnahen Imkers