Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 19. Mai 2021 entschieden, das revidierte Erbrecht auf den 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen. Mit dem neuen Recht können Erblasserinnen und Erblasser künftig über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen. Bereits verfasste Testamente könnten dann nicht mehr dem letzten Willen entsprechen. Deshalb ist eine Überprüfung jetzt sinnvoll.
Das revidierte Erbrecht ist flexibler als bisher ausgestaltet. Erblasserinnen und Erblasser können künftig über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen. Heute stehen Kindern drei Viertel des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil zu. Künftig wird es nur noch die Hälfte sein. Der Pflichtteil der Eltern entfällt mit der Revision ganz. Jener des Ehepartners und des eingetragenen Partners bleibt dagegen unverändert. Wer seinen Nachlass mittels Testament entsprechend seinen Wünschen regeln möchte, wird in Zukunft also weniger stark durch Pflichtteile eingeschränkt werden. Sie oder er kann freier über das Vermögen verfügen und so beispielsweise eine faktische Lebenspartnerin oder einen faktischen Lebenspartner stärker begünstigen. Der Bundesrat hat entschieden, die Revision auf den 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen. (Link)
In unseren letzten beiden Blogbeiträgen «Wie gründet man eine gemeinnützige, steuerbefreite Stiftung» sowie «Erbschaft frühzeitig planen und flexibel bleiben» konnte Beat Schellenberg von der Nachlasstreuhand.ch GmbH die wichtigen und kritischen Punkte bei diesen häufig auftretenden Fragestellungen unserer Sympathisanten aufzeigen. Im neuen Blogbeitrag zum Thema «Revidiertes Erbrecht» setzt sich Thomas Fabian, Leiter Philanthropie FREETHEBEES, mit Fragen an Beat Schellenberg zu den Gründen und konkreten Ausgestaltungen des neuen Erbrechts auseinander. Beat steht uns erfreulicherweise Weise wieder für ein Interview zur Verfügung.
Thomas Fabian: Im Dezember 2020 hat das Parlament das Schweizer Erbrecht reformiert. Der Bundesrat hat nur wenige Monate später entschieden diese Revision für den 1. Januar 2023 in Kraft zu setzen. Warum?
BS: Das geltende Erbrecht trat 1912 in Kraft und ist seither nur punktuell revidiert worden. Es ist auf das traditionelle Familienmodell ausgerichtet: auf verheiratete Paare mit leiblichen Kindern. Während den über hundert Jahren haben sich aber insbesondere die Art des Zusammenlebens, die familiären sowie demografischen Strukturen weitestgehend verändert. Heute gibt es viele andere Formen des Zusammenlebens – unverheiratete Lebenspartner mit oder ohne Kinder sowie bspw. Patchwork-Familien. Mit den vorgesehenen Änderungen im Erbrecht soll diesen Gegebenheiten Rechnung getragen werden.
TF: Was ändert sich mit dem neuen Erbrecht?
BS: Der Erblasser kann in Zukunft freier über sein Vermögen verfügen und seine Liebsten absichern. Wer beispielsweise seinen Konkubinats Partner begünstigen will, hat jetzt mehr Spielraum. Das gilt ebenso für die Absicherung von Stiefkindern.
TF: Diese Personen haben aber nach wie vor keinen gesetzlichen Erbanspruch?
BS: Das stimmt. Anders als die gesetzlichen Erben – wie beispielsweise Ehepartner, Kinder, Eltern – muss der Erblasser sie testamentarisch als Erben einsetzen. Dafür steht ihm neu aber ein grösserer Teil seines Vermögens zur Verfügung; das war ja eben das Hauptziel der Gesetzesrevision.
TF: Wie hat man denn dieses Ziel erreicht?
BS: Durch die Reduktion der Pflichtteile. Dies sind Mindestanteile am Erbe, auf die Nachkommen, Ehegatten, eingetragene Partner und Eltern Anspruch haben. Bei Nachkommen sind heute drei Viertel ihres gesetzlichen Erbanspruchs pflichtteilsgeschützt. Künftig ist es nur noch die Hälfte. Der Pflichtteil für die Eltern entfällt ganz. Jener des Ehepartners und des eingetragenen Partners bleibt unverändert bei der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Wer seinen Nachlass mittels Testament entsprechend seinen Wünschen regeln möchte, wird in Zukunft also weniger stark durch Pflichtteile eingeschränkt.
TF: Was passiert wenn ich kein Testament verfasse?
Dann legt das Gesetz fest, wer wie viel erbt. Die gesetzlichen Erbteile sind nicht von der Revision betroffen. Sie bleiben unverändert. Wenn der Erblasser also selbst seine Erbfolge nicht durch eine letztwillige Verfügung oder einen Erbvertrag geregelt hat, kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen; gemäss den Artikeln 457 bis 466 des Zivilgesetzbuchs.
TF: Ab wann gilt das neue Erbrecht?
Es tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Wer über seinen Nachlass bereits letztwillig verfügt hat, erhält bis dahin Zeit, sein Testament einer Fachperson zur Überprüfung vorzulegen.
TF: Warum ist denn eine Überprüfung der bestehenden Regelung im Hinblick auf die Gesetzesrevision ratsam?
Bei einer bestehenden Nachlassregelung, welche vor dem Inkrafttreten des neuen Erbrechtes formuliert wurde, können generell Auslegungsschwierigkeiten entstehen, wenn der Testator nach dem 01.01.2023 verstirbt.
Es kann zum Beispiel vorkommen, dass die eigenen (leiblichen) Kinder auf den erbrechtlichen Pflichtteil gesetzt wurden damit die Stiefkinder begünstigt werden können. Es muss dann geprüft werden, ob die betroffenen Kinder bzw. Stiefkinder gemäss der heutigen Auslegung der damals gewählten Formulierung gemäss neuem Erbrecht ab 01.01.2023 genügend, zu viel oder zu wenig erhalten. Es kann aber auch sein, dass die damalige Formulierung unter den revidierten erbrechtlichen Bestimmungen plötzlich unklar oder missverständlich wird.
Eventuell müssen dann die Erbanteile in einer neuen erbrechtlichen Regelung angepasst und klarer formuliert werden. Am besten bespricht man diese Fragen mit einem Erbschaftsexperten (Jurist, Anwalt, Notar) oder vereinbart einen Termin mit meiner Firma Nachlasstreuhand.ch GmbH.
Auch ist es ratsam, bereits heute die neuen Bestimmungen bei einer Nachlassplanung zu berücksichtigen, damit nach Inkrafttreten des neuen Rechts keine Anpassungen mehr nötig sind.
Unabhängig davon sollte man seine Nachlassregelung alle paar Jahre überprüfen, da sich die familiäre und finanzielle Situation wie auch die eigenen Wünsche im Laufe der Zeit verändern können.
TF: Was bedeutet die Erbrechtsrevision für die freie Quote?
BS: Das Nachlassvermögen nach Abzug aller Pflichtteile ergibt die freie Quote, über die man nach Belieben verfügen kann. Wer keine pflichtteilsgeschützten Erben hinterlässt, kann sogar sein gesamtes Vermögen völlig frei verteilen, wie zum Beispiel gemeinnützige Organisationen wie FREETHEBEES als Erbin oder Vermächtnisnehmerin einsetzen. Wenn jemand über die freie Quote verfügen will, muss er ein Testament errichten oder einen Erbvertrag abschliessen. Mit der frei verfügbaren Erbquote kann er dann jede beliebige, natürliche oder juristische, Person begünstigen, nur sollte er das juristisch richtig formulieren.
TF: Wer unterstützt mich bei der gesetzeskonformen Testamentsgestaltung?
BS: Für ein einstündiges Erstgespräch stehe ich Mitgliedern und Gönnern von FREETHEBEES gerne kostenlos zur Seite; die Nachlasstreuhand.ch GmbH deckt neben den wichtigen Aspekten des Nachlasses (Testament, Erbteilung, Erbschaftssteuern, Immobilien und Vorsorge) auch den Zyklus von der Gründung bis zur nachhaltigen Unterstützung von Stiftungen ab. Eine Stiftungsgründung zu Lebzeiten oder durch letztwillige Verfügung ist eine besondere Variante der eigenen Nachlassregelung.
…Vielen Dank Beat für Deine wertvolle Zeit! Gerne kommen wir in einem Folgeblog auf das wichtige, aber für die grosse Mehrheit jedoch «unschöne» Thema der Willensvollstreckung auf Dich zurück…
Folgende Grafik wurde von unserem Finanzvorstand Thomas Fabian mit befreundeten Juristen von FREETHEBEES erstellt:
FREETHEBEES empfiehlt seinen Gönnern, Mitgliedern und Sympathisanten den Status Quo ihrer Nachlassregelungen erbrechtlich prüfen zu lassen oder bei Ersterfassung einen Erbrechts-Experten beizuziehen.