Deutsch: Träumereien in der Bienen-Chefetage
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Durch Herrn Sieber abgelehnter Leserbrief von André Wermelinger, welcher Bezug nimmt auf den Beitrag von Ruedi Ritter in der SBZ 11/2013: “Ein varroaresistentes Bienenvolk?”
Dass es mich als Präsident von FreeTheBees freut, wenn Herr Ritter, Geschäftsführer von apiservice GmbH, von wild überlebenden Bienen träumt, brauche ich hier wohl nicht weiter zu erwähnen. Aber gehen wir seinem Beitrag „Ein Varroaresistentes Bienenvolk?“ aus der SBZ 11/2013 etwas tiefer auf den Grund und hinterlegen seine Träume mit Fakten.
Dass vorverbaute und richtig positionierte Bienenbrutnester sehr schnell durch Schwärme besiedelt werden, zeigt einerseits, dass natürliche Nistplätze für Bienenvölker rar sind, andererseits, dass Bienen lieber in altes Wabenwerk einziehen, als in gereinigte Beuten. So werden z.B. auch die Zeidlerhöhlen in lebenden Bäumen in Polen mit Rekordgeschwindigkeit durch natürliche Schwärme bewohnt. Fakt ist auch, dass ein Schwarm in der freien Natur in einem mit Wabenwerk vorverbauten Nistplatz (auch bei altem Wabenwerk) wesentlich grössere Überlebenschancen hat, als in einem leeren Hohlraum.
Wie uns die Erfahrungen mit der naturnahen Bienenhaltung (kein Aufsetzen von Honigräumen) zeigt, erstaunt bei einem wild lebenden Bienenvolk in erster Linie, dass es trotz Ausschwärmen genügend Honigreserven für den nächsten Winter zusammenbringen kann. Erst nachdem es das Futterproblem überwunden hat, kommt die Herausforderung im Umgang mit der Varroa. Nach Prof. Dr. T. D. Seeley hat ein Schwarm in der intakten Natur nur ca. 20{4a7efe3095e9e861b8fe4e78908430c2d53e8196b6902db31675819ee74ddc24} Überlebenschancen. Das ist das äusserst kraftvolle und nachhaltige Prinzip der natürlichen Selektion. FreeTheBees schätzt auf Basis eigener Erfahrungen, dass ein hiesiger Schwarm wegen Futtermangel ca. 10{4a7efe3095e9e861b8fe4e78908430c2d53e8196b6902db31675819ee74ddc24} Überlebenschancen hat (immerhin noch die Hälfte gegenüber der intakten Natur!). Die Überlebensrate von gegen Varroa unbehandelten Völkern liegt dann bei wesentlich unkritischeren 30{4a7efe3095e9e861b8fe4e78908430c2d53e8196b6902db31675819ee74ddc24}.
Die natürlich überlebenden und sich sogar über den Schwarmtrieb teilenden Bienenvölker existieren in der Schweiz und in weiten Teilen Europas. FreeTheBees sind bereits mehrere solche Völker und deren Standorte in der Schweiz bekannt. Viele sterben wie in Ritters Bericht richtig erwähnt bereits im ersten Winter und im Frühling zieht ein neuer Schwarm ein. Und eines Tages, oh Wunder, überlebt das erste Volk und teilt sich im Frühling durch den natürlichen Schwarmtrieb. Der Zyklus kann also erwiesenermassen noch immer geschlossen werden. Auch in unserer angeschlagenen Natur. Dank der enormen und faszinierenden Anpassungsfähigkeit der Honigbiene!
Ritters Imkerfantasie führt ihn nach der Kenntnisnahme des vermeintlich resistenten Bienenvolkes direkt zur Idee der Zuchtstoffentnahme zur Züchtung resistenter Bienenvölker. Auch hier bringen ein paar Fakten Ordnung in die Emotionen. Wie zum Kuckuck soll ein einzelnes Volk oder die Völker eines einzelnen naturnah imkernden Bienenhalters, umzingelt von produktiven Zuchtvölkern, eine Resistenz entwickeln können? Entweder geht dieser Vorgang der Resistenzbildung (oder gemäss wissenschaftlicher Erkenntnisse viel eher die Adaptation zwischen Wirt und Parasit) über die natürliche Selektion in einer abgeschotteten Region (z.B. in einem grösseren Naturpark) oder über komplexe und ausgeklügelte Zuchtbestrebungen, die von allen Imkern in der Umgebung unterstützt werden müssen.
Ritters romantische Träume in Ehren. Aber wo bleiben die scharfen Analysen und visionären Lösungsansätze der vordenkenden und leitenden Bienenexperten in der Schweizerischen Eidgenossenschaft?